Das Problem sind nicht die Studierenden, sondern die Aufnahmegeräte

von Silke Betscher

Die Schulung der Stadtteilforscher*innen im Rahmen von QUERgesund war eine besondere Erfahrung für mich. Ich habe schon viel Methodenschulungen im Rahmen Hochschullehre durchgeführt. Aber bei QUERgesund war das besondere, dass die Gruppe von Anfang an aus Stadtteilbewohner*innen und Studierenden zusammen gesetzt war. Das Ziel war es, im Rahmen der Schulung Tandems aus jeweils einer/einem Teilnehmer*in aus beiden Gruppen zusammenzusetzen, die nachfolgend gemeinsam und gleichberechtigt im Stadtteil geforscht haben.

Die Schulung musste deshalb ganz viele unterschiedliche Anforderungen erfüllen:

  • alle Teilnehmer mussten sich kennenlernen
  • die Schulung sollte einen Raum eröffnen, in dem das Sprechen aus ganz unterschiedlichen Positionen heraus möglich sein sollte und in dem sich alle wohlfühlen können
  • eine gemeinsame Sprache musste gefunden werden (im Sinne von unterschiedlichen Einzelsprachen und Übersetzungen und im Sinne einer gemeinsamen Ebene der Kommunikation)
  • wir mussten mit den unterschiedlichen Zugängen, Wissensständen und Interessen der Teilnehmer*innen umgehen
  • Tandems sollten gebildet und Vertrauen zueinander aufgebaut werden
  • die Methoden sollten theoretisch vermittelt (warum welche Methoden, Leitfadeninterviews und Fokusgruppen, Vorbereitung und Durchführung) und praktisch geübt werden
  • wir mussten uns gemeinsam darüber verständigen, wozu geforscht werden sollte
  • wir haben Interview-Leitfäden entwickelt
  • Ängste vor dem Forschen sollten abgebaut werden
  • wechselseitige Projektionen und Vorstellungen mussten erkannt werden
  • Bewusstsein für unterschiedliche Positioniertheit und intersektionale Verschränkungen (z.B. Bildungshintergrund, Alter, Erfahrung, …) sollte befördert werden

Um all diesen Anforderungen gerecht zu werden, war die Schulung eine Mischung aus Auflockerungsübungen, methodischen Inputs, Gruppenarbeiten, Methodenübungen und Reflexionen. Den von Annika Strauss angeleiteten theaterpädagogischen Auflockerungsübungen kam eine zentrale Rolle zu, da hierdurch schon Bewegung und Freude als ein Aspekt der präventiven Gesundheitsförderung unmittelbar erfahrbar und damit der ganzheitliche Ansatz des Projektes erlebbar wurde. Auch zum Kennenlernen und zum Abbau von Berührungsängsten haben diese Übungen entscheidend beigetragen.

In den methodischen Inputs wurden die Teilnehmer*innen mit der Methode der Leitfadeninterviews und der Fokusgruppen vertraut gemacht und Besonderheiten und Herausforderungen in Interviewsituationen besprochen. Um einen ersten Zugang zu bekommen, haben die Teilnehmer*innen nach einer gemeinsamen Sammlung und Sortierung von Leitfragen, Übungsinterviews durchgeführt und gemeinsam reflektiert. Nachdem die Tandems erste Interviews im Stadtteil durchgeführt hatten, gab es Reflexionstreffen, die teilweise getrennt nach Studierenden und Stadtteilforscher*innen durchgeführt wurden.

Diese Schulung war für mich deshalb eine so besondere Erfahrung, weil es gelungen ist, innerhalb sehr kurzer Zeit mit einer äußerst heterogenen Gruppe einen produktiven Austausch und gemeinsamen Arbeitsmodus herzustellen. Oder mit den Worten einer Stadtteilforscher*in über ihre Erfahrung mit den Interviews: „Das Problem sind nicht die Studierenden, sondern die Aufnahmegeräte“.